Freitag, 17. Februar 2017

HR könnte Pole-Position besetzen - 5 (+1) Frage/n zu den Erwartungen an das Personalmanagement - heute an Professor Antoinette Weibel

Über die Personaler und das HR-Management wird derzeit recht viel gesprochen - weniger wird mit den Personalern diskutiert. Bei diesen Diskussionen geht es um gegenwärtige Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen waren für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Professor Antoinette Weibel, Ordinaria für Personalmanagement an der Universität St. Gallen. Frau Professor Weibel beschäftigt sich mit den Perspektiven des Personalmanagements und den Fragen der (neuen) Arbeit. Es gelang ihr in der Vergangenheit oft, diese Fragen aus wissenschaftlicher Sicht für eine breitere Öffentlichkeit zu thematisieren, so dass ich mich sehr freue, dass sie für dieses Interview zur Verfügung steht. Ich danke ihr bereits jetzt herzlich für die Beteiligung an dieser Interviewserie und bitte sie, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Prof. Antoinette Weibel
Weibel: Ich bin Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen und Direktorin des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitswelten.

Wald: Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Weibel: Das von mir geführte Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten widmet sich komplexen Fragestellungen der (neuen) Arbeit aus einer interdisziplinären Perspektive. Wir sind Ansprechpartner für Fragen rund um das Thema Arbeit, speziell in den Bereichen des Arbeitsrechts, des Personalmanagements und der Arbeitsorganisation. Wir verstehen uns als Forschungspartner und bilden auf der Grundlage unserer Forschung aus und weiter. Zudem engagieren wir uns in der gesellschaftlichen Diskussion zur Thematik.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Weibel: Vielleicht muss ich hier erst mal ganz kurz meinen Hintergrund erklären. Ich habe mich weder in meinem Studium noch in meiner akademischen Laufbahn mit den Themen des klassischen Personalmanagements beschäftigt. Ich bin Quereinsteigerin. Meine Kernthemen sind Vertrauen, Motivation und Organisation. Aus dieser „Aussenseiterposition“ bin ich immer wieder erstaunt, dass man sich im Personalmanagement überhaupt diese Berechtigungsfrage stellt. Ich kenne keine andere Unternehmensfunktion, die sich in dem Ausmass selbst „geisselt“ und hinterfragt. So könnte man etwa auch mit Fug und Recht fragen, wozu es Marketing gibt – Customer Centricity funktioniert doch wunderbar auch ohne eine solche zentrale Funktion. Beispielsweise in agilen Teams, die ihre Produkte gleich mit den Kunden entwickeln. Auch könnte man sich die Frage stellen, wozu wir Strategie noch brauchen. Wieviel des strategischen Planens wird tatsächlich umgesetzt und wie stark lässt sich die Zukunft überhaupt noch mit Plänen bewirtschaften? Mit Blick in die Zukunft der Arbeit würde ich sogar behaupten, dass Personalmanagement eine Pole-Position in Unternehmen besetzen könnte: Dies vor allem, wenn es darum geht,  Rahmenbedingungen für die Entfaltung mit- und umdenkender Mitarbeitender und Teams zu setzen. Aus meiner Sicht könnte ein Personalmanagement mit mehr Mut einen sehr hohen Stellenwert einnehmen.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Weibel: Ich führe es wesentlich auf zwei Gründe zurück: Erstens gilt auch fürs Personalmanagement, dass man sich von althergebrachten Denkmustern lösen muss. Keine Denkverbote!  Blossweil man so schöne Kompetenzmodelle entwickelt hat, sei die Frage trotzdem erlaubt, ob man auf klassisches Talent- und High-Potential-Management nicht besser verzichten sollte. Selbst wenn man „Comp und Ben Manager“ ist, sollte man kritisch darüber nachdenken, ob komplexe Anreizsysteme nicht besser durch klassische Salärsysteme ersetzt werden können, ergänzt mit einer einfachen Unternehmenserfolgsbeteiligung. Zweitens gilt: selbstbewusster auftreten, besser verkaufen und auf Zahlen setzen. Hier verspreche ich mir viel von HR Analytics und evidenzbasierten Personalmanagement.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Weibel: Personalmanagement wird sich zwei Herausforderungen stellen müssen. Zum einen sind es  die veränderten Anforderungen komplexer und agiler Organisationen, zum anderen ist es aber auch die Transformation bestehender Systeme. Die Wertschöpfung in Unternehmen wird komplexer. Ökosysteme, Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden Organisationen an die Grenzen der Steuerbarkeit bringen. Gerade dort, wo die zentrale Steuerung nicht mehr greift, sind mitdenkende Mitarbeitende, Fehler- und Vertrauenskultur sowie Flexibilitätspotentiale gesucht. Einige Unternehmen müssen zudem agiler werden, weil sich der Innovationsdruck nochmals erhöht. Hier brauchen wir zusätzlich auch Querdenker und Teamarbeit auf Augenhöhe, die häufig Unternehmensgrenzen überwindet. Mit- und Umdenken, dezentrale Steuerung, Vertrauen und Zusammenarbeit über Silo und Unternehmensgrenzen hinaus verlangen nach neuen (Personal-)Managementmodellen. Deswegen sind gerade  im Bereich Personalmanagement andere Selektions-, Onboarding-, Engagement-, Zusammenarbeits-und Talentmodelle gefragt. Dies bedeutet meistens auch, dass ein solch kulturprägendes Personalmanagement die Transformation vom Industriezeitalter in die neue Arbeitswelt begleiten muss. Dazu braucht es Mut, Experimentierfreude und gute Analysetools, die den Lernprozess begleiten.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Weibel: Mit der Kristallkugel habe ich es als Wissenschaftlerin nicht so. In einem möglichen positiven Szenario wäre es die Aufgabe von Personalmanagement gescheite Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Erneuerungsfähigkeit von Unternehmen zu schaffen.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden). Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Weibel: Im Vordergrund steht für mich Methodenwissen und Investition in eine breite Wissenslandkarte, die man durch lebenslanges Lernen anreichern kann. Kernmethoden sind für mich evidenzbasiertes Management, sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden und human centered design. Die Wissenslandkarte sollte Kenntnisse in den Bereichen Verhaltens- und Organisationswissenschaft, Technologie- und Innovationsmanagement sowie der Ökonomie umfassen. Fächer, die zum nachdenken anregen sind „Auswendiglernfächern“ vorzuziehen. Ebenso unerlässlich ist „learning on the job“, Neugierde, Offenheit, Demut und lebenslanges Lernen.

Wald: Sehr geehrte Frau Kollegin Weibel, ganz herzlichen Dank für Ihre Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, zahlreiche neue Ideen sowie immer aufgeschlossene Studierende und Partner.

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