Freitag, 6. Mai 2016

Sourcing, Data-Driven Recruiting, Digital Body Language - Gespräch mit Recruiting-Expertin Barbara Braehmer

Barbara Braehmer
Der HR Innovation Day 2016 kommt und heute folgt das nächste Gespräch mit einer Referentin des Tages. Nachdem bereits die Twitter-Community nachfragte, will ich heute mit Barbara Braehmer sprechen. Barbara Braehmer ist eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet Social Recruiting und war bereits beim letzten HR Innovation Day dabei und ist mit ihrem Workshop zum Thema "Wie zähme ich das Internet, um wirklich die richtigen Kandidaten zu finden?“ auf sehr große Resonanz gestoßen. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass sie auch in diesem Jahr wieder mitmacht. Sie bezeichnet sich häufig selbst als Suchmaschinen-Dompteuse und ich bin schon auf ihre Antworten auf meine Fragen zum Workshopthema „Wer oder was ist dieses Active Sourcing eigentlich wirklich?" gespannt.

Peter: Ganz herzlichen Dank vornweg, dass Du als Wiederholungstäterin erneut beim HR Innovation Day dabei bist. Darüber freue ich mich sehr.
Barbara: … Gern … die Freude ist meinerseits - ich bin schon ganz gespannt auf den HR Innovation Day und die von Dir immer so gut kombinierten Sessions. Das letzte Mal habe ich sehr viel gelernt und sehr viele interessante Menschen kennengelernt. Darauf freue ich mich jetzt wieder.

Peter: Dem „ Active Sourcing“ wird zuweilen der Charakter des heiligen Grals des Recruitings zugeschrieben. Andere betrachten Active Sourcing als Handwerk des modernen Recruiters. Ohne dem Workshop vorzugreifen, wo ordnest Du diesen Begriff ein?
Barbara: Ich finde, wir sollten damit anfangen, das Active vor dem Sourcing wegzulassen. Dabei entsteht das Gefühl, dass Recruiter vorher nicht ‚aktiv‘ waren. Und das ist ja nicht der Fall. Die klassischen Formen des Recruitings werden heute durch viele neue Wege, Methoden und digitale Tools des Social Recruiting ergänzt. Sicherlich wird die eine oder andere Vorgehensweise komplett ersetzt, aber z.B. sind die totgesagten Printanzeigen ganz schön lebendig und richtig gemacht sogar immer noch erfolgreich. Eine der neuen Methoden ist Sourcing – und das ergänzt, so wie die anderen Social Recruiting Methoden, das Recruiting

Peter: Was meinst Du? Kann jeder Active Sourcing? Sollte jeder active sourcen? Oder passt Active Sourcing vielleicht nicht überall?
Barbara: Sourcing ist keine Allzweckwaffe - aber klug eingesetzt ein Katalysator jeden Recruitings. Ich bin der Überzeugung, dass jeder wissen und lernen sollte, wie Sourcing funktioniert. Aber es muss nicht jeder selbst durchführen. Sourcing in die Recruiting-Toolbox zu integrieren ist eine Make- or Buy Entscheidung.

Peter: Make or buy? Was empfiehlst Du Unternehmen, die sich dem Thema Active Sourcing nähern?
Barbara: Leider ist augenblicklich die Integration des Sourcings in die Recruiting-Toolbox noch hauptsächlich eine Do-it-Yourself Entscheidung, weil die meisten Personaldienstleister und -berater nicht professionell sourcen. Die meisten gehen das Sourcing intuitiv und ohne digitales Mindset an: Sie geben einfach aktiv ein paar Suchbegriffe in Suchmasken der Social Media Portale ein. Das ist zwar eben aktiv – aber nicht professionell, denn Talente findet man so nicht oder nur zufällig. Die Voraussetzung für das professionelle Sourcing ist das Verständnis für die Funktionsweise verschiedener semantischer Algorithmen, das Wissen, wie man die Digital Body Language von Usern (das ist der Datenschweif, den ein Mensch online hinter sich herzieht) im Web liest. Voraussetzung für erfolgreiches Sourcing ist heute das Knowhow und die Kompetenz, digitale Tools und Methoden geschickt zu kombinieren.

Peter: Thema "Big Data“: Welche Rolle dürfte dies zukünftig beim Sourcing bzw. Recruiten spielen?
Barbara: Noch spielt Big Data selbst eine geringe Rolle im Recruiting. Da viele Big Data mit großen Datenmengen verwechseln, und denken, wenn Algorithmen Daten analysieren muss sich das immer um Big Data handeln, liest man hier und da davon, dass das in HR schon angewendet wird. Das ist Unsinn - nicht mal in den USA ist das wirklich im Einsatz. Was da ist und kommt ist das sogenannte Data-Driven Hiring oder Data-Driven Recruiting (und dann natürlich auch Sourcing). Dazu gehört zum Beispiel auf Karrieresites Leser anonym und aggregiert zu tracken, wohin diese klicken oder wann sie abspringen und entsprechend den Content anzupassen. Oder ich kann mit Algorithmen wie dem Tool Jobfeed von Textkernel berechnen, welche Jobtitel in welcher Regel wie oft gesucht werden. Das hilft Unternehmen z.B. ihren Wettbewerb zu beobachten und ihre Maßnahmen entsprechend zu planen und anzupassen.

Peter: Diese Frage habe ich Dir auch im letzten Jahr gestellt. Es ist für meine Absolventen zunehmend wichtiger im Netz gefunden zu werden? Gibt es hier aktuelle Entwicklungen, aus den sich Tipps und Hinweise für meine Studierenden ableiten lassen?
Barbara: Ich beobachte zwei Tendenzen (und nehme mich selbst dabei überhaupt nicht aus): Wir glauben nicht mehr so sehr an das, was wir im Web sehen und verifizieren. Wir suchen nach anderen Informationen, fragen Leute und prüfen. Das machen Personaler auch immer mehr. Und das Web vergißt kaum etwas. Deshalb sollte jeder Student nicht nur seine Social Media Präsenzen ‚pflegen‘ und das, was er/sie nicht öffentlich sehen wollen, auch nicht öffentlich posten. Zweitens sollten  alle Studenten heute schon damit anfangen, sich einmal in der Woche zu googlen. Denn es gibt leider auch wenig nette Kommilitonen und da sollte man aufpassen, was diese über einen selbst im Web verbreiten.

Peter: Und DIE Frage zum Schluss: Warum kommst Du erneut nach Leipzig?
Barbara: Mal unabhängig davon, dass ich mich die Stadt Leipzig verliebt habe und sie noch viel besser kennenlernen möchte: Ich finde, Du hast ein wie wir Schwaben sagen, eine Goldhand in der Auswahl der Referenten und Themen. In vielen HR-Veranstaltungen werden die immer gleichen Themen auf die so oft gleiche Weise vorgetragen. Aber auf den letzten HR-Innovation Days habe ich das letzte Mal schon so viel gelernt und richtig wichtige Impulse bekommen. Und deshalb bin ich jetzt schon sehr gespannt auf die weiteren Referenten und Themen. Und verspreche: Ich mache einen völlig neuen Vortrag, den ich nicht schon 10 mal gehalten habe!

Peter: Barbara, Ganz herzlichen Dank für das informative Gespräch. Ich freue mich sehr auf unser erneutes Zusammentreffen am 28. Mai 2016 an meiner Hochschule in Leipzig.

Barbara Braehmer ist Geschäftsführer der intercessio GmbH in Bonn. Sie sieht sich als pragmatische Talentfinderin, Expertin im ‚Finden‘ talentierter Mitarbeiter und ist Social Recruiting Coach, Master-Sourcerin, HR-Data-Analystin. Sie ist als Rednerin und Expertin geschätzter Gast auf verschiedenen Konferenzen.  Nach 20 Jahren HR-Berufserfahrung sowohl als langjährige Personalmanagerin als auch Personalberaterin gründete sie 2005 die Intercessio GmbH. Intercessio ist ein Recruiting-Consulting- und Service-Unternehmen, das seine Kunden auch durch Recruiting/Sourcing Aufträge (RPO) unterstützt und wurde vor 3 Jahren um die Intercessio-Akademie erweitert, die auf Human Resource, Recruiting und Sourcing Trainings spezialisiert ist. Barbara Braehmer ist Co-Autorin des Praxishandbuches "Social Media Recruiting: Experten Know-How / Praxistipps / Rechtshinweise“ - dem bislang umfangreichsten Buch zu dieser Thematik und ist als Dozentin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg tätig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen